B,C,P,U,V-RÖHREN



Fast könnte man meinen, daß sich hinter dieser Überschrift ein Geheimcode für Spionage-Röhren verbirgt. Die Sache ist jedoch einfacher - ich habe hier mehrere Röhrenfamilien zusammengefaßt, die eines gemeinsam haben - es sind Röhren für Allstrombetrieb.
Was muß man darunter verstehen?

Nach 1926 begann die Versorgung der Radioapparate aus dem Lichtnetz. Die ersten Wechselstromempfänger mit Netztrafo und Gleichrichterröhren entstanden - wir erinnern uns -  mit RGN und RENS-Röhren. In Europa, auch in Deutschland, gab es zu jener Zeit aber Gebiete mit reinen Gleichstromlichtnetzen und verschieden Spannungen zwischen 110 und 220V.
Der Einsatz von Netztransformatoren zur Gewinnung der damals so üblichen 4V Heizspannung  und der Anodenspannung war hier nicht möglich (10. Klasse 4.Stunde Physik!!)
Die Anodenspannung konnte man durch Hinzufügen von Siebgliedern direkt aus dem Netz erzeugen, die Beheizung der Röhren - die Apparate hatten damals auch schon 4-6 Röhren - konnte nur durch Hintereinanderschalten der Röhren und Hochlastvorwiderständen bewerkstelligt werden.
Jeder Röhrenheizer wurde vom gleichen Strom durchflossen, die Spannungen hierfür so angepaßt, um auch in 110V-Netzen die Röhren versorgen zu können.
So entstand ab 1931 eine kleine Serie von RENS-Röhren für Gleichstromnetze, erkennbar an den beiden ersten Ziffern 18 hinter der Buchstabenkombination. Der Heizstrom wurde auf 180mA festgelegt, was die Ziffer 18 kennzeichnen sollte, die sich ergebenden Spannungen lagen meist um die 20V.
Äußerlich unterschieden sich diese Röhren nicht von den 4V-Typen.
 
Beispiele solcher Röhren sind: REN1821, RENS1823, RENS1834, RENS1894.

Auch der Volksempfänger VE301G war für Gleichstromnetze entwickelt worden und wurde von 1933 - 1937 gebaut. Er war nur mit der Triode REN1821 und der Endröhre RENS1823d bestückt, eine Gleichrichterröhre wurde ja nicht benötigt.

Was die elektrische Sicherheit dieser Apparate ohne Netztrafo betraf, mußten natürlich besondere Maßnahmen ergriffen werden. Die Gehäuse jener Radios sind berührungssicher aufgebaut, denn jedes Metallteil führte je nach Polung des Netzsteckers die gefährliche Netzspannung gegen Erde. Anschlüsse wie Antenne und Tonabnehmer wurden mit spannungsfesten Kondensatoren getrennt.
Diese Forderung gilt für alle Allstromgeräte, auch für die ersten Fernsehgeräte der 50er und 60er Jahre. Auch sie waren ja Geräte ohne Netztrafo.

Die RENS18xx - Röhren sollten ab 1934 in eine eigenständige Serie - die B-Reihe - übergehen. Meines Wissens entstanden jedoch nur drei Röhrensysteme, da sich bereits mit der Einführung der neuen A-Wechselstromserie schon eine neue Allstromserie abzeichnete. Es wurden nur eine Duodiode BB2, die große Triode-Hexode BCH1 und eine Endpentode BL2 gefertigt.

Die Radioindustrie erkannte rasch die Möglichkeiten der Geräte ohne Netztrafo. Das geringere Gewicht der Radios und die Einsparung des teureren Trafos führte verstärkt zur Fertigung solcher Apparate.
Ab 1934 entstand deshalb eine neue Allstrom-Röhrenfamilie mit Außenkontaktsockeln, die sowohl für Gleichstrom - und Wechselstromnetze geignet war, die C-Reihe.
Viele Systeme der A-Serie sind übernommen worden, was nicht zwingend Kompatibilität bedeutete. Abgesehen von der Heizung - die C-Röhren wurden für 200mA Heizstrom ausgelegt - wichen die Kennlinien z.T. erheblich ab. Die Anodenspannungen lagen größtenteils bei nur 100-200V.

Die wichtigsten Röhren der C-Allstromserie

CCH1 Triode-Hexode Mischer
CK3 Mischoktode
CF3, CF7 ZF-Verstärker
CBC1 Demodulator, NF
CL1, CL2, CL4, CL6 Endpentoden
CY1, CY2 Gleichrichter


Offensichtlich sind viele Röhren der C-Reihe erhalten geblieben. Im Internet tauchen immer wieder Exemplare, vor allem CF3, CF7 und CK3, auf.
Da sie meist recht günstig zu haben sind, kann man durchaus mal eine Niete in Kauf nehmen, obwohl sie einen robusten Heizfaden besitzen.
Für den Eigenbau kann ich jedoch nur empfehlen, die Gerätschaften trotzdem mit einem Trenntrafo zu betreiben. Es können sich in den Röhren  Isolationsfehler einschleichen und dann wird es lebensgefährlich.


Größere Bedeutung erlangte kurz nach Einführung der Stahlröhren 1938 die U-Allstromserie für Rundfunkgeräte. Mit den, zur E-Stahlserie baugleichen Typen UAA11, UBF11, UBF15, UCF12, UF11, UF14, UF15, UCH11  und den Glasröhren UCL11, UFM11, UL11, UL12, UM11 sowie UY11 begann eine Erfolgsgeschichte.
Auch Röhren mit Außenkontakt - und Oktalsockeln gab es als U-Röhren, jedoch nicht als durchgehende Serie. Beispiele hierfür waren  UBL1, UCH4, UCH5, UF5, UF6, UF9, UY1, UY2 und UY3.

Die kleine Endröhre UL2 wurde überhaupt erst nach dem Krieg von Philips für künftige Kleinradios gebracht, hat aber außer bei der Allstromvariante des GRUNDIG Heinzelmann keine große Bedeutung mehr erlangt. Die Röhren für die neuen UKW-Radios UAA11, UCF12, UBF15, UF14 und UF15 erschienen erst 1950! 




Die Röhrensysteme wurden immer besser und so konnte man bei dieser neuen Serie für Gleich-und Wechselstromnetze den Strom auf 100mA senken, was Heizspannungen von etwa 12 - 60 Volt ergab. Die große UCL11 benötigte beispielsweise 60V, die bekannte Gleichrichterröhre UY11 ca. 50V.
Die Firma Philips brachte 1941 einen Typus von Radioapparat auf den Markt, der eine ganze Generation bis in die 60er Jahre folgte - die Philetta, das erste sogenannte Küchenradio.
Bestückt war dieses Gerät mit den bereits 1939 entwickelten, aber erst 1941 eingeführten, Loctal-Röhren der U-Reihe - UCH21, UBL21, UF21 und UY21.
Der fehlende Netztrafo bei den Allstromradios machte diese Kleingeräte überhaupt erst möglich.

So ist es nicht verwunderlich, daß U-Röhren bei jeder nachfolgenden neuen Serie zu finden waren. Ab 1948 erschienen mit den ersten Rimlock-Röhren der E-Serie auch   UAF41, UAF42, UB41, UBC41, UCH41, UF41, UF42, UF43, die Endröhre UL41 sowie die Gleichrichter UY41/42.

Dies setzte sich auch in der Noval- und Miniatur-Serie ab 1949/1950 fort - fast jede E-Röhre jener Zeit hatte einen Paralleltypen der U-Serie erhalten.
Die Kennlinien sind meist für 170 - 200V ausgelegt, also nicht zwingend mit den E-Röhren kompatibel.

Die Beschaffung von U-Röhren der modernen Rimlock- oder Noval-Serie bereitet im allgemeinen keine Schwierigkeit, die Vorkriegstypen mit Stahlröhrensockel oder Octal-Sockel können schon teuer werden.
Wer gerne experimentiert: die Oktal-Röhre UF9 und die UL2 sind teilweise unter € 10 zu bekommen.
Der Aufbau von Geräten kann z.B. mit den sog. Vorröhren wie UF9, UF41, oder UAF41 interessant sein, denn ihre Heizspannungen betragen um die 12V. Größere Apparate sollten, wie schon eingangs erwähnt, unbedingt aus einem Trenntransformator versorgt werden. Sicherheit ist hier höchstes Gebot!



Wenden wir uns einer weiteren Allstromserie zu, die aber nach dem Krieg keine große Rolle mehr spielte - die V-Reihe für Kleinempfänger.
Ab 1936 gab es die sogenannten "Stromsparröhren" mit einem einheitlichen Heizstrom von nur 50mA und entsprechend hohen Spannungen.

Folgende Röhrensysteme wurden gefertigt:

VC1 Triode
VCH11 Triode-Hexode Mischer
VCL11 Triode-Endtetrode
VEL11 Tetrode-Endtetrode
VF3 HF-Pentode
VF7 HF-Pentode
VF14 Spezial-Pentode
VL1 Endpentode
VL4 Endpentode
VY1 Einweggleichrichter
VY2 Einweggleichricher

Für die Allstromversion des Volksempfängers VE301GW sind zunächst nur die VC1, die VL1 und die Gleichrichterröhre VY1 ab 1936 mit dem damals üblichen Außenkontaktsockeln gefertigt worden.
Ab 1938 wurde die leistungsschwache VC1 durch die neue VF7 im VE301dynGW ersetzt. Der bedeutendste Röhrensatz jedoch war die Bestückung des Deutschen Kleinempfängers von 1938, dem DKE38. Mit nur zwei Röhren kam die sog. "Göbbelsschnauze" aus, der kleinen Gleichrichterröhre VY2 und der Verbundröhre VCL11 mit Stahlsockel.



Röhrensatz des DKE38

Nach dem Krieg konnte dieser Kleinempfänger mit der neuen Tetrodendoppelröhre VEL11 bestückt werden, was etwas besseren Empfang ermöglichte.  Letzlich konnte der DKE gegen die inzwischen leistungsstarken Radios nicht gewinnen.

Heute sind beide, sowohl der VE301 und der DKE gesuchte Sammlerobjekte und V-Röhren für die entsprechenden Geräte sind höchst begehrt.
Die Gleichrichterröhre VY2 ist faktisch nicht mehr zu bekommen. Sie ging, vor allem in 110V-Netzen ohne Vorwiderstand, regelmäßig ins Nirvana.
Die Typen VCH11, VF3, VF14 und VL4 kamen erst nach Kriegsende auf den Markt, wurden jedoch kaum eingesetzt.
Lediglich die VF14, eine rauscharme und hochverstärkende Pentode war in sog. Neumann-Verstärkermikrophonen in den 50ern zu finden, heute eine Rarität.


Eine Familie von Allstromröhren, die vermutlich die größte Bedeutung nach dem Krieg erlangte - waren die P - Röhren mit 300mA Heizstrom.
Mit dem Aufkommen der ersten Nachkriegsfernsehgeräte Anfang der Fünfziger Jahre erkannte man, daß man mit den bislang entwickelten Röhren so einen Apparat nicht sinnvoll bestücken konnte. Ein Fernseher benötigte damals zumindest weitaus mehr Stufen und spezielle Funktionen als ein Radioapparat. Mit parallel gespeisten Röhren hätte man einen großen Heiztrafo benötigt, ganz zu schweigen vom höheren Anodenstrombedarf.
So ermittelte man damals einen Heizleistungsbedarf von etwa 60 Watt und legte den Heizstrom dieser neuen Röhren auf 300mA fest, was bei 220V eine maximale Leistung von 66W ergab. Die Anodenspannungen und alle daraus resultierenden gewann man direkt aus dem Netz.
Das Fernsehgerät war damit ein klassisches Allstromgerät und mußte gegen direktes Berühren geschützt werden.

Die ersten P-Röhren gab es 1951 mit der PCL81, der Ablenkpentode PL81, PL82, der Bildendstufe PL83, sowie der Boosterdiode PY80 und des Einwegleichrichters PY82.
Anfangs wurden die neuen Röhren noch mit E-Röhren, die 300mA Heizstrom hatten, kombiniert. So waren in den Geräten Röhren wie ECC81, ECC82, ECL80 und in der Bild-ZF die bekannte EF80 zu finden.

Nach und nach entstanden immer mehr spezielle Typen für die Erfordernisse der Fernsehapparate. Die bekannte PL36 mit Oktalsockel löste 1955 die schwache PL81 ab.
Die wichtigsten Röhren bis 1970 (erst da gab es die PL519) waren u.a.:

PCF80, PCC84, PCC88, PCL84, PCL85, PCL86, PL84, PL95, PL500, PL508, PL519.



Viele der P-Fernsehröhren wurden von uns Jungen aus Unkenntnis einfach zerschlagen. Fernsehröhren waren unserer Ansicht nach nicht zu gebrauchen.
Dabei waren manche wahre Kunstwerke und äußerst leistungsfähig.
So z.B. die Doppeltrioden PCC88, hervorragende HF-Kaskodenverstärker für den VHF-Bereich, oder PC86 und PC88, die für den UHF-Bereich als Gitterbasisstufen und Mischer eingesetzt wurden. Oder die winzige PC900 von 1963, ein regelbarer Kathodenbasisverstärker für den VHF-Bereich.

Später, Mitte der Sechziger, als das Farbfernsehen schon in den Startlöchern saß, kamen nochmals neue Röhrentypen hinzu.
Diese erhielten sogar noch neue 10Stift-Dekal-Sockel. Die wichtigsten waren PCF200, PCH200, PFL200 und PCL200.
Und zu guter letzt erschienen die Leistungspentoden PL508 für die Vertikalablenkung, sowie die Horizontalablenkpentoden PL509 und PL519.
Leistungsfähige Transistoren und Thyristoren machten ihnen schließlich den Garaus.

Die PL519 kam sogar in Amateurfunkkreisen zu Ruhm. Mit zwei bis drei dieser Röhren konnte man gut und gerne 300-400W erzeugen, wenn auch nur für SSB-Anwendungen.
Audio-Freaks schätzen in neuerer Zeit wieder NF-Verstärker mit PL36 und PL519  in Triodenschaltung.

So viele P-Röhren wir auch zerdeppert haben, es gibt viele noch zu kaufen oder wieder zu kaufen.
Die sehr unterschiedlichen Heizspannungen von 3,5 - 40V sind heute kein Problem. Einfache Empfänger oder Verstärker können durchaus sinnvoll mit P-Röhren aufgebaut sein.
Ein interessanter Einröhren-Einkreiser könnte beispielsweise mit der PFL200 aufgebaut werden. Das F-System würde als Audion arbeiten und das L-System als Endverstärker.
Die als Tonendstufe bekannte PCL86 wäre als Klein-CW-Sender gut geeignet. Im Internet gibt es einige gute Baubeschreibungen hierfür.



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